Der Verbrennungsmotor ist tot – es lebe der Verbrennungsmotor

Den Fahrzeugen mit Elektromotor gehört die Zukunft, obgleich der Verbrennungsmotor noch lange nicht am Ende ist. Das ist das Fazit des 17. Internationalen Stuttgarter Symposiums, bei dem sich die Crème de la Crème des automobilen Fahrzeug- und Motorenbaus zwei Tage lang im Mekka der deutschen Automobilindustrie ein Stelldichein gab.     


Stuttgart. Die Vorlage für dieses Motoren-Symposium kam bereits Ende Februar von der baden-württembergischen Landesregierung: Fahrverbot für Dieselfahrzeuge, die die Abgasnorm Euro 6 nicht erfüllen, bei Feinstaubalarm in Stuttgart ab 2018. Eine für viele Symposiums Teilnehmer ungeheuerliche Einschränkung. Die Antwort der Fahrzeugingenieure kam postwendend: „Entgegen der allgemein veröffentlichten Meinung sind wir der Ansicht“, so Neo-Daimler-Entwicklungsvorstand Ola Källenius, „dass die Dieseltechnologie ausschlaggebend wichtig für unsere Zukunft ist“. Und wie zum Trotz: „Das ist der Grund, weshalb wir 2,6 Milliarden Euro in die Entwicklung unserer neuen Dieselgeneration investiert haben“. 


Der Elektroantrieb – nicht aufzuhalten
Und doch. Der Siegeszug des reinen Elektroautos auf dem Weg zur Null-Emission entwickelt sich zwar langsam, ist aber nicht mehr aufzuhalten. „Die Umstellung der Antriebstechnik dauert“, zeigt sich Wolf-Henning Scheider, Geschäftsführungsvorsitzender bei Mahle überzeugt. „Wir gehen aus heutiger Sicht davon aus, dass auch im Jahr 2030 nur 10 Prozent von 108 Millionen Neufahrzeugen reine Elektroautos sein werden“. Auch Prof. Peter Gutzmer, Technologie-Vorstand von Schäffler rechnet mit maximal 30 Prozent batterie-elektrischer Fahrzeuge im Jahr 2030. Etwas optimistischer sieht Källenius die Entwicklung: „Im Kalenderjahr 2025 werden wir bei Daimler 15-20 Prozent batteriebetriebene Fahrzeuge verkaufen, was aus heutiger Sicht mehrere hunderttausend Fahrzeuge im Jahr wären“.  Und das nur in der Premium Luxusmarke Mercedes, „… die dafür ein mittleres Industrieprogramm auflegt, das volle Konzentration verlangt – nicht nur in der Entwicklung, sondern auch in der Produktion und im Vertrieb“.    


Gleiches Ziel – verschiedene Ansätze
Ob OEM oder Zulieferer. Im Prinzip herrscht Einigkeit. Einigkeit über das nahezu grenzenlos erscheinende Potenzial des Verbrennungsmotors und der Zukunftsfähigkeit elektrifizierter Antriebe. Doch wie damit umgehen? Einerseits soll der Verbrennungsmotor noch effizienter werden, andererseits der Nutzwert von Elektrofahrzeugen durch technische Verbesserungen erhöht werden. Mahle setzt daher auf eine duale Strategie, basierend auf Extremszenarien, deren Grundlagen „Green Planet“, „CHInda“ (Vormachtstellung asiatischer Märkte), eine starke Veränderung der Wertschöpfungskette zwischen OEM und Zulieferer und last but not least „Mr. Roboto“ (verändertes Fahrverhalten, wie car sharing, etc.) sind. „An diesen Extremszenarien sind alle unsere Geschäftsbereiche ausgerichtet und müssen Maßnahmen ergreifen, um die Mahle-Marktführerschaft zu sichern“, so Scheider auf dem Symposium. Dual heißt bei Mahle auf der einen Seite die Weiterentwicklung des Verbrennungsmotors und auf der anderen Seite die neue (elektrische) Welt. Für Mahle eine gewaltige Anstrengung, nicht nur auf der Investitionsseite. Als „eleganteste“ Möglichkeit die CO2-Emissionen aus dem Straßenverkehr abzusenken, bezeichnete Scheider den Einsatz synthetischer Kraftstoffe, die mit Hilfe von Strom aus erneuerbaren Energien hergestellt werden.


Automobilzulieferer Schäffler in Herzogenaurach sucht nach grundsätzlichen Lösungen für die private Mobilität. „Um den Verkehr in urbanen Ballungszentren zu gestalten, reicht es nicht aus, allein über Antriebe oder Kraftstoffe nachzudenken“, so Professor Gutzmer. „Wenn der Wunsch nach individueller Mobilität mit heutigen Lösungen nicht mehr zu erfüllen ist, müssen wir stärker intermodal denken.“ Dabei können auch völlig neue Lösungen entstehen, wie zum Beispiel  ein Fahrzeug, das hinsichtlich Größe und Reichweite zwischen einem Pedelec und einem kleinen Elektro-Pkw einzuordnen ist.  Seine Breite ist so gewählt, dass mit ihm in den meisten Ländern die Fahrradwege benutzt werden können.


Auch für Daimler ist nun die Zeit reif, verstärkt in Elektromobilität im größeren Stil zu investieren. „Wir waren vor zehn Jahren als erster Hersteller mit dem Serien-Elektro-Smart auf den Markt gegangen“, so Källenius.  „Doch erst jetzt ist es an der Zeit, dass wir Elektromobilität Schritt für Schritt wirtschaftlich darstellen können“. Bis 2025 will Daimler zehn neue vollelektrische Modelle vorstellen. Den Anfang macht nächstes Jahr ein unter der neuen Marke „EQ“ vertriebener Kompakt-SUV.


Die Rolle des Motorsports bei neuen Antrieben
Dass der Dieselmotor eine große Zukunft hat und noch lange nicht ausgereizt ist, wenn „politischen Scheuklappen abgelegt werden“, lässt sich wunderbar am AUDI Diesel-Rennmotor aufzeigen, der in den letzten zehn Jahren in Le Mans zum Einsatz kam. So konnte durch eine innovative Rennmotoren-Entwicklung der Verbrauch um fast die Hälfte reduziert werden. Und das bei verbesserter Leistung, die in Le Mans zur Reduktion der Rundenzeiten um sensationelle 20 Sekunden führte. „Wichtig ist, dass der Dieselmotor weiterentwickelt wird, um ihn mit noch besseren Rahmenbedingungen umweltfreundlicher betreiben zu können“, ist AUDI-Chefentwickler für Sportmotoren Ulrich Baretzky überzeugt. 


Um die Grenzen der Elektromobilität im Motorsport auszuloten, haben sich die Techniker bei Mercedes-AMG dem Concept GT gewidmet. Nicht zuletzt auch um ihr eigenes Knowhow beim Bau von Elektroautos weiter zu entwickeln. Auf Basis einer E-Klasse-Plattform ist ein 800 PS starkes Spaß Auto entstanden, das mit seinem V8-Benziner kombiniert mit einem E-Motor in unter drei Sekunden auf 100 km/h beschleunigt.  Wer also jetzt an langweilige Plug-in-Hybride denkt, die auf maximale Sparsamkeit getrimmt sind, der kennt Mercedes-AMG schlecht. „Eine besondere Art, Elektromobilität hoffähig zu machen“, sieht Källenius Glas klar die Vorzüge des Mercedes-AMG Concept GT. „Gerade im oberen Segment gibt es schon Leute, die sich E-Mobilität leisten können und wollen, als ‚Promise for the Future‘. Ein Sinneswandel, der schon fast zum Image geworden ist“.