Vom China-Gespenst auf der IAA 2023

Die IAA wurde in ihrer zweiten Auflage in München, mit ihrem starken Fokus auf Mobilität, aber weit weg von einer klassischen Automobilmesse, nicht nur von Aktivisten dominiert, sondern nicht wenig überraschend von selbstbewussten Chinesen. Ein Versuch der realistischen Einschätzung.

Bei der IAA in München waren die chinesischen Autobauer das Gesprächsthema schlechthin. Nicht nur bei den europäischen Fahrzeughersteller und deren Zulieferern, sondern vor allen Dingen in den Medien schlugen die Wellen hoch: „Die IAA der Chinesen“, „Die China-Kracher der IAA“, „Showtime für BYD, Nico und SAIC“. Sind die Chinesen wirklich so mächtig und dermaßen im Kommen? Dass die chinesischen Autobauer in München einen großen Auftritt hatten, steht außer Zweifel. Aber reicht das, um tatsächlich der deutschen Automobilindustrie Angst und Schrecken einzujagen?

Mit der E-Mobilität ins Rampenlicht
Dieses Jahr waren doppelt so viele Automobilhersteller aus China wie 2021 auf der IAA in München. BYD und MG dürften den meisten Messebesuchern bereits bekannt gewesen sein. Wer aber hat, bitteschön etwas von Namen wie Forthing, Leapmotor (Xpeng), SAIC, Dongfeng, Hozon oder Seres gehört? Dabei ist der Autobauer BYD (Build Your Dreams), der als Batteriehersteller für Mobiltelefone von Siemens, Nokia und Motorola begonnen hat, das beste Beispiel für den Aufstieg der E-Autos aus China. Mit seinen Modellen Atto 3, Tan und Hang liegt er weltweit beim Absatz auf Platz eins, vor Tesla und vor allen Dingen auch Volkswagen. Alles E-Autos für den kleinen Geldbeutel. Und das Beste: Dieses Jahr plant das Unternehmen weltweit über 2,5 Millionen Fahrzeuge zu produzieren und zu verkaufen. Vorbei also die Zeiten, als Fahrzeuge aus China bestenfalls belächelt wurden. Ihre Stärke: E-Mobilität, verbunden mit Konnektivität und guter Qualität. 

Deutsche Autobauer holen auf
Bei aller medialen Präsenz der Chinesen auf der IAA sind jedoch die deutschen Autobauer nicht zu unterschätzen. Nicht Volkswagen, sondern BMW zeigte in München bei seinem Heimspiel mit einer geplanten Modellflut an E-Stromern auf einer eigens dafür kreierten E-Plattform mit der „Vision Neue Klasse“ auf. Eine Plattform, auf der sich eine komplett neue Elektro-Architektur versteckt und das Rückgrat zukünftiger batterie-elektrischer BMWs werden soll. Neben dem vollelektrischen i5 präsentierte BMW zwei neue Modellvarianten mit Plug-in-Hybrid-Antrieben, die im Frühjahr 2024 auf den Markt kommen werden. Sie kombinieren Reihensechszylinder- beziehungsweise Vierzylinder-Benziner mit der jüngsten e-Drive-Technologie. Damit präsentiert BMW ein rundes Portfolio an elektrischen und teilelektrischen Fahrzeugen und – nicht zu vergessen – auch einen Wasserstoff angetrieben iX5. 

Auch Mercedes hat mit seinem Concept CLA Class auf Basis der Kompakt-Plattform MMA (Mercedes Modular Architecture) ein neues Konzept vorgelegt und bezeichnet es als „Ein-Liter-Auto“. Der Viertürer ist das erste Modell unter der Marke „Entry Luxury“ und zeigt, wohin die Reise bei Mercedes gehen soll: Das untere Marktsegment wird in Untertürkheim wohl keine Rolle mehr spielen. Eine weitere Mercedes-Messepremiere war unter anderem der neuen E-Klasse All-Terrain, der wie das T-Modell und die Limousine mit Plug-in Hybridversionen kommen und damit die neue Generation der E-Klasse-Modellfamilie komplettieren wird. 

Ein Blick zurück in die Geschichte
Die diesjährige IAA-Mobilitätsmesse in München hat aufs Neue gezeigt, dass trotz aller Unkenrufe kein Weg mehr an der E-Mobilität vorbeiführt. Offen ist die Frage nach den Gewinnern und Verlierern. Geht es nach der Meinung führender Experten, scheinen die Chinesen nicht nur die Nase vorn zu haben, sondern auch in der Lage zu sein, ihren Vorsprung noch ausbauen zu können. „Chinas Autoindustrie hat tatsächlich kräftig aufgeholt“, so Stefan Bratzel vom Center of Automotive Management (CAM). „Die deutschen Autos scheinen teilweise nur teurer, aber keineswegs besser zu sein“. „Mindestens 10 Prozent“, rechnet Experte Ferdinand Dudenhöfer, Direktor des privatwirtschaftlichen CAR-Center Automotive Research in Duisburg vor.  

So ist der asiatische Wettbewerb im Prinzip eigentlich nichts Neues. Denn bereits in der jüngeren Geschichte sahen sich die europäischen Autobauer wiederholt einem als bedrohlich wahrgenommenen Wettbewerb asiatischer Autobauer gegenüber. In den 1970er Jahren eroberten die Japaner mit perfekt ausgestatteten Fahrzeugen den europäischen Markt, schafften sogar in Deutschland vorübergehend einen Marktanteil von über zwanzig Prozent, doch besonders die deutschen Autobauer zogen mit Verzicht auf hohe Renditen durch Sonderausstattungen und Produktionserweiterungen nach und schafften den Turnaround. 

Ende der 1980er Jahren dann die „Bedrohung“ aus Korea, mit seiner aufstrebenden Automobilindustrie und ihren Billigangeboten von Hyundai, KIA, SsangYong und Daewoo. Als allerdings in Korea Ende der 1980er Jahre im Rahmen ihrer Wirtschaftsliberalisierung die Wochenarbeitszeit von 50 auf 40 Stunden reduziert wurde, waren die Billigpreise auf den Exportmärkten nicht mehr zu halten und das Gleichgewicht im Markt wieder hergestellt. 

Ebenfalls in den 1980er Jahren der Schock für Daimler-Benz, als das Unternehmen erste Investitionen in ein Produktionswerk in China plante. Und um diese Genehmigung zu bekommen, musste Daimler die kompletten Konstruktionspläne der damaligen, noch geheimen A-Klasse preisgeben. Danach hat es Jahre gedauert, bis die Chinesen – trotz dieser Pläne – ein wettbewerbsfähiges Auto, Marke Eigenbau auf den Markt bringen konnten. 

Alles Entwicklungen in der Vergangenheit, warum wohl ausgerechnet VW-Konzernchef Oliver Blume die Ambitionen der Chinesen für ein Déjà-vu hält und nicht als Bedrohung wahrnimmt. Hoffentlich wird er Recht behalten. 

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