Die Automobilindustrie Osteuropas trotzt der Krise

30 Prozent Produktionssteigerung auf 7 Mio. Fahrzeuge. Das ist nach einer Studie der Fraunhofer-Projektgruppe für Produktions- und Logistikmanagement (PPL) und der TU Wien die Entwicklung der Automobilindustrie in der CEE-Region. Doch die wachsenden Strukturen bergen auch Gefahren für Teilelieferanten aus Westeuropa. Diese müssen nun in der Krise die richtigen Weichen stellen, um den Zugang nicht zu verlieren und am bevorstehenden Aufschwung des osteuropäischen Marktes zu partizipieren.

 

Die Automobilindustrie gehört zu den Branchen, die von der Wirtschaftskrise mit am stärksten betroffen sind – allerdings mit regional unterschiedlichen Auswirkungen. „In der Region Central and Eastern Europe (CEE) können zwar die Wachstumsraten der vergangenen Jahre nicht aufrechterhalten werden, doch ist diese Region insgesamt nicht unbedingt von Pessimismus geprägt,“ betont Wilfried Sihn, Professor für Betriebstechnik und Systemplanung am Institut für Managementwissenschaften der TU Wien und Leiter der Fraunhofer Austria Research GmbH. Dies beweist die jetzt vorgelegte TU/PPL-Studie „Produktionsstrukturen von Automobil¬herstellern und ihren Zulieferern – Gestärkt durch die Krise“. Sie analysiert die Strukturen der Automobilindustrie in der CEE-Region. 

 

Gute Zukunftsperspektiven 
Während die Fahrzeugproduktionen in Westeuropa und den USA bis 2012 eher stagnieren, wird nach neuesten Erkenntnissen der Studie für die in den CEE-Ländern ansässigen Automobil¬hersteller (OEM) mit ihren 43 Werken eine Wachstumsrate im zweistelligen Bereich erwartet – trotz Strukturwandel und Automobilkrise. Bis auf BMW und Porsche sind alle europäischen OEM an dieser Entwicklung beteiligt. Den neuen EU-Mitgliedstaaten kommen besonders ihre interessante Kostenstruktur und ihre Nähe zu Westeuropa zugute. Einsparungs- und Rationalisierungsprogramme der internationalen Hersteller werden verstärkt Standorte in Hochlohnländer betreffen. Zudem sind die in den osteuropäischen Automobilwerken gefertigten Modelle mehrheitlich aus dem aufstrebenden Kleinwagensegment, so dass diese die Krise leichter überstehen werden. Aber auch als Absatzmarkt gewinnt die CEE-Region immer mehr an Bedeutung, vor allem Russland. Unter Berücksichtigung des niedrigen Motorisierungsgrades ist auch weiterhin von einem überdurchschnittlichen Wachstum der Region auszugehen. 

 

Lokale Ausrichtung der Lieferantenstruktur
Doch nicht nur die Produktionsstrukturen der Automobilunternehmen in der CEE-Region untersucht die Studie. Gerade und insbesondere die Situation der Zulieferer steht im besonderen Fokus und führt zu einem klaren Ergebnis: Nach dem erfolgreichen Etablieren der OEM in Osteuropa ziehen diese auch Zulieferfirmen nach. Allein bis heute etablierten sich fast 400 Produktionsstätten der TOP 100 Zulieferer in CEE. Dies hat zwei Gründe: hohe logistische Anforderungen durch Just-in-time-Lieferungen an die osteuropäischen Automobilwerke und eine mögliche Verbesserung der gesamten Kostenstruktur der Lieferanten durch die Nutzung von Faktorkostenvorteilen. Die ansässigen Lieferanten der ersten Zulieferstufe beziehen dabei noch den Großteil ihrer Waren von Teilelieferanten aus Westeuropa, die somit ebenfalls vom Boom in CEE profitieren. Doch auch diese Lieferbeziehungen zwischen Lieferanten der ersten und der zweiten Zulieferstufe unterliegen einem gewaltigen Kostendruck und Tier 1-Lieferanten versuchen, ihre Teile von lokalen CEE-Lieferanten zu beziehen. „Das birgt ein hohes Risiko¬potential für Tier 2-Lieferanten in Westeuropa, durch die Niedriglohnkonkurrenz im Osten ersetzt zu werden,“ beschreibt Klaus Schmitz, Leiter des Geschäftsfeld Logistikmanagement der Fraunhofer PPL und Projektleiter der Studie, die Konsequenzen dieser Entwicklung, „doch es ist auch eine Chance für effizient und kostengünstig arbeitende Zulieferer aus dem grenznahen Österreich.“

 

Langjährige Erfahrung und Kooperation
„Die Entwicklung der Automobilproduktion in der CEE-Region begleiten wir bereits seit mehreren Jahren,“ erklärt Daniel Palm, Leiter der Fraunhofer PPL die Motive zur Durchführung der Studie. „Bereits vor drei Jahren haben die Technische Universität Wien und wir mit der Studie „Detroit des Ostens“erstmals intelligente Konzepte und Partnerschaften aufgezeigt, wie man den Herausforderungen der CEE-Produktionsstandorte gerecht werden kann. Die aktuelle Krise bietet den Zulieferern die Chance, sich durch schlanke, kosteneffiziente Prozesse und aktive gestaltete Kunden-Lieferanten-Beziehungen optimal zu positionieren. Die Tier 1-Lieferanten sind im Moment sehr offen für innovative Lösungen. Die Strukturen innerhalb der EU haben sich in den letzten Jahren enorm verbessert – hier gilt es jetzt, Optimierungspotentiale zu realisieren und die Produktions- und Logistikabläufe zu professionalisieren.“

 

Das Institut für Managementwissenschaften mit dem Bereich Betriebstechnik und Systemplanung der Technischen Universität Wien und die Fraunhofer PPL kooperieren seit Herbst 2004. Sie beschäftigen sich unter anderem mit Fragen rund um die Produktion und die Logistik von Unternehmen. Ihre Projekte reichen von strategischen bis operativen Aufgabenstellungen bei Kunden aller Größen. Einen Schwerpunkt bildet die Automobilindustrie mit zahlreichen Industrie- und Forschungsprojekten in Zusammenarbeit mit namhaften Herstellern und Zulieferern.

 

Für weitere Informationen wenden Sie sich bitte an:


Univ.-Prof. Dr.-Ing. Dr. h.c. Wilfried Sihn
Technische Universität Wien, Institut für Managementwissenschaften/
Fraunhofer Austria Research GmbH 
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Fax: +43 (0)1 / 58801 33094
sihn@imw.tuwien.ac.at

 

Mag. Klaus Schmitz, BSc
Fraunhofer-Projektgruppe für Produktions- und Logistikmanagement, PPL
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