Weltwirtschaft im Wandel?

Hafen von Dalian im Nordosten Chinas

Asiens Wachstumslokomotive China schwächelt und verzeichnet 2013 sein schwächstes Wirtschaftswachstum seit vierzehn Jahren. In Europa herrscht besonders in Deutschland und trotz Euroschwäche große Zuversicht für das Jahr 2014. Und die USA  warten seit Jahren darauf, dass die Wirtschaft wieder Fahrt aufnimmt. Ist die Weltwirtschaft im Wandel und was ist besonders von den asiatischen Märkten zu erwarten? 


Immer wieder waren es gerade die kleinen Meldungen aus den Wirtschaftsredaktionen, die uns im zu Ende gehenden Jahr in der Regel beschäftigen sollten. So wie eine Wirtschaftsmeldung aus Peking kurz nach Weihnachten, die uns besonders zu denken geben sollte: nach aktuellen Berechnungen ist die chinesische Wirtschaftsleistung in 2013 um 7,6 Prozent gewachsen. Ein nicht gerade berauschender Wert für ein Schwellenland. Schon gar nicht für die VR China. Nachdem die staatliche Vorgabe ein Wachstum von 7,5 Prozent zum Jahresbeginn „forderte“, ist diese Ziellandung in einem Land wie China auch nicht weiter verwunderlich. Überraschend kommt diese Entwicklung nicht, umso bemerkenswerter aber ihre offizielle Begründung: höhere Arbeitskosten und zunehmende Aufwendungen für mehr Umweltschutz. Muss sich also die Aufsteigermacht China zukünftig vom Rekordwachstum verabschieden? Und war es also falsch, als vor zehn Jahren mit der Goldman Sachs Studie „Dreaming with the BRICs“ der Untergang des Abendlandes heraufbeschworen wurde? Um Antworten auf diese beiden Fragen zu finden hilft - wie so oft - der Blick in die Vergangenheit, verbunden mit der Erkenntnis, dass sich Geschichte doch wiederholt und so manche Parallele bereit hält.

 

Asiens Wirtschaft mit überraschenden Parallelen
Für alle Schwellen- und Entwicklungsländer ist zunächst festzustellen, dass auch für sie das schiere mathematische Gesetz gilt: Wer klein anfängt, wächst schnell. Für diese Länder sind zweistellige Entwicklungsraten weder eine Schwierigkeit noch eine Besonderheit. Das galt in den ausgehenden 1970er Jahren und den 1980er Jahren im besonderen Maße für alle Tigerstaaten wie Japan, Taiwan und Korea. Und heute? Heute ist ihr Wirtschaftswachstum dramatisch abgeflacht. Selbst beim China der 1980er Jahre, der Wirtschaftsmacht Japan, der man damals die Weltherrschaft zutraute, ist das Wachstum auf null gesunken. Und das Schema aller dieser Staaten, mit seinen Rahmenbedingungen und seiner wirtschaftlichen Entwicklung war immer das Gleiche. In allen asiatischen Ländern lief die Industrialisierung nicht marktgetrieben, sondern autoritär gesteuert ab. Sie alle hatten praktisch keine demokratischen Strukturen. Japan hatte zwar formell eine Demokratie, doch in Wahrheit wurde der Ein-Parteien-Staat von der LPD gesteuert. In Korea waren bis zum Ende der 1980er Jahre die Militärs an der Macht und erst kurz vor den olympischen Sommerspielen 1988 gab es wirklich freie Wahlen. So hatten die Regierungen freie Hand, künstlich die Wirtschaftsentwicklung durch Unterbewertung ihrer Währungen, Überinvestitionen und durch ein alles überragendes Motto „Export um jeden Preis“ zu steuern. Eine Industrialisierung, die faktisch mit der fieberhaften Industrialisierung unter Hitler und Stalin und mit ihrem Zwang zur Massenmobilisierung der Kräfte vergleichbar ist.

 
Vom Umweltschutz und Konsumverzicht
China hat darüber hinaus noch zwei weitere Problemfelder zu berücksichtigen: Seine enorme Investitionsquote von fast 50 Prozent des BIP und die erzwungenen verstärkten Bemühungen zum Umweltschutz. Die staatlich verordneten Investitionen sind Segen und Fluch zugleich, da sie auch einen enormen Konsumverzicht im Inland verursachen. Ein Verzicht, den keine Demokratie der Welt schaffen würde. Auch nicht schaffen wollte, da er auf Dauer ungesund ist. In Sachen Gewinnschmälerung durch Mehraufwendungen für den Umweltschutz braucht man gar nicht erst bis China blicken. Als in den 1990er und 2000er Jahren immer mehr osteuropäische Länder der EU beitraten, sind diese nicht zuletzt durch ihre niedrigen Produktionskosten - da de facto nicht existierenden Umweltauflagen - für Investoren interessant geworden. Doch kaum waren die von der EU gewährten Übergangszeiten abgelaufen, passten sich ihre Produktionskosten an das westeuropäische Niveau an und die Karawane zog weiter.


Wirtschaft mit eigenen Gesetzen
Ganz ähnliche Entwicklungen lassen sich in den anderen BRIC-Ländern beobachten: Russlands Ökonomie hängt am Gas, Öl und Erz, gilt als Ausbeuterökonomie und wird von wenigen Oligarchen regiert. In Brasilien entwickelt sich eine zunehmende Bedrohung durch die brasilianische Mittelschicht, die nicht zu Unrecht am Wohlstand beteiligt werden möchte. Lula war gut für den Start-up der brasilianischen Wirtschaft. Mehr nicht. Eine klassische Entwicklung „erst reich - dann renitent“. 


Die Stärken Europas nutzen
Und was passiert in Europa? Die meisten Staaten haben bestenfalls ein Null-Wachstum. Doch durch ihre demokratischen Strukturen haben sie die Chance, sich dem Markt anzupassen und sich selbst zu regulieren. Es ist der Intellekt, der hier das Humankapital ausmacht, nicht seine schiere Masse. Und es ist die eigene Geschichte der Industrialisierung, die den Vorteil schafft. Sind wir uns also unserer Wurzeln weiterhin bewusst, brauchen besonders wir in Deutschland keine Angst vor der Zukunft zu haben. Wenn wir unsere Stärken stärken und uns nicht durch kurzfristige Erfolge anderer Industrienationen blenden lassen, dann können wir unseren Blick schärfen auf das Wesentliche und überraschenderweise feststellen, dass auch andere nur mit Wasser kochen, ihr Aufstieg nicht nur endlich ist, sondern sich sogar auf Dauer selbst zerstört.