Die Mille Miglia 2014 – Ein Mythos ungebrochener Faszination

Was von 1927 bis 1957 als Teil der Sportwagen-Weltmeisterschaft ausgetragen wurde, gilt heute unter den Motorclassic-Fans  als die Tausend-und-eine-Nacht im Rallye-Motorsport: die Mille Miglia. Sie wurde nicht ohne Grund von Enzo Ferrari als das schönste Rennen der Welt geadelt. Die „Mille“ startete zu ihrer 31. Neuauflage als Hommage an das ehemals härteste Autorennen der Welt. 

 

Mittlerweile geht es auf der Route von Brescia, über Padova nach Rom und wieder zurück nicht mehr um Spitzengeschwindigkeiten und Bestzeiten. Heute ist die Mille Miglia eine faszinierende Zuverlässigkeitsfahrt auf den Spuren des urspünglich ausgetragenen Straßenrennens durch die Toscana und Umbrien. Teilnehmen dürfen ausschließlich Fahrzeuge, die bereits bei den historischen Rennen zwischen 1927 und 1957 am Start waren und sich im Originalzustand befinden. 

 

Begonnen hat alles in den späten Zwanziger Jahren des letzten Jahrhunderts, als zwei Sprösslinge des Brescianer Adels, Aymo Maggi und Franco Mazzotti, zusammen mit ihren beiden Freunden Renzo Castagneto und dem Journalisten Giovanni Canestrini die Idee hatten, ein Autorennen der Sonderklasse von Brescia nach Rom zu organisieren. Brescia, damals die Heimatstadt des italienischen Motorsports, musste gerade mit der Schmach des „Mailänder Diebstahls“ fertig werden. Der „Gran Premio Automobilistico d’Italia“ sollte zukünftig, nach über fünf Jahren, durch den Mailänder Automobilclub in Monza ausgetragen werden und nicht mehr in Brescia. So wollten die vier Musketiere, wie sie später genannt wurden, mit diesem Rennen von Brescia nach Rom die Ehre Brescias verteidigen. Um aber mit den „ausländischen“ Römern nicht den Ruhm des Rennens teilen zu müssen, entschieden sich die vier für einen Rundkurs über Rom, um in ihrer Heimatstadt auch den Sieger küren zu können. Damit war vier Jahre nach dem französischen Rennklassiker in Le Mans 1927 das zweite große europäische Langstreckenrennen, die Mille Miglia geboren worden. Im Juni des gleichen Jahres sollte der dritte große Langstreckenklassiker am Nürburgring/Eifel in Deutschland zum ersten Mal gestartet werden. Doch im Gegensatz zu Le Mans und dem Nürburgring, wo die Rennen auf einem Rundkurs ausgetragen wurden, sollten die Teilnehmer der Mille Miglia auf öffentlichen, unbefestigten Landstraßen durch die schönsten Landstriche Italiens fahren.

 

Dabei rasten sie zum Teil mit über 200 Stundenkilometer durch enge Dörfer und Gassen. Mit Fahrzeugen, die weitestgehend ohne Sicherheitsstandards auskommen mussten. Aber mit großem Gottvertrauen. Bis an diesen verdammten 12. Mai 1957 der Ferrari von Alfonso Cabeza de Vaca nach einem Reifenplatzer bei fast 300 Stundenkilometer ins Publikum raste. Er, sein Beifahrer und zehn Zuschauer kamen bei diesem schrecklichen Unfall ums Leben. Drei Tage später wurde die Mille Miglia von der italienischen Regierung verboten. Erst 1977 bekam der Automobilclub von Brescia die Genehmigung, eine historische Fahrt mit etwa hundert Fahrzeugen durchzuführen und die moderne Mille Miglia war als Gleichmäßigkeitsrennen wieder auferstanden.

Und doch. Noch immer ist die Faszination der Mille Miglia ungebrochen. Noch immer gelten die alten, harten Regeln, dass nur originale Fahrzeuge mit entweder der FIVA-Fahrzeug-Identitätskarte oder dem F.I.A. Heritage Certificate teilnehmen dürfen. Dabei kommt die Fahrzeugabnahme in Brescia regelmäßig einem Schaulaufen gleich, das an Emotionen und Faszination kaum zu überbieten ist. Selten sieht man so viele Raritäten feinster automobiler Ingenieurskunst mit zum Teil unschätzbarem Wert  auf so engem Raum wie an diesem Donnerstag vor dem Rennen. Nahezu alle traditionsreichen Automobilmarken sind vertreten. Ob Alfa Romeo, Aston Martin, Audi, BMW, Bugatti, Ferrari, Fiat, Jaguar, Mercedes, Masserati, Porsche oder die italienische Marke “OM – Officine Meccaniche”, die den ersten “Coppa delle Mille Miglia” 1927 gewinnen konnte. Nicht zu vergessen die raren Marken mit den klingenden Namen wie Amilcar, Bizzarini, Cisitalia, Ermini oder Invicta.

 

Start ist in 20 Sekunden Abständen am Donnerstagabend ab 18 Uhr in Brescia zur 228 Kilometer langen ersten Nachtetappe, die über Padua nach Thermae Abano Montegrotto führt. Am Freitag geht’s ab 07.00 Uhr für die ersten Fahrzeuge ins 710 Kilometer entfernte Rom. Eine wahre Knochentour. In der Hauptstadt startet das Feld am Samstag wieder Richtung Norden zur 552 Kilometer langen dritten Etappe nach Bologna. Erstmals erstreckt sich die Mille Miglia in diesem Jahr über vier Tage. Das letzte Teilstück führt am Sonntag schließlich durch Modena, Reggio Emilia und Mantova ins 218 Kilometer entfernte Brescia.