Vom Technologie-Brunch ins Plenum. Von der heilen Wirtschaftswelt Tirols zu den aktuellen und zukünftigen Herausforderung der Wirtschaft. Die Technologie-Gespräche des Europäischen Forums in Alpbach forderten bereits am ersten Tag ihre Teilnehmer heraus, zeigten aber auch Chancen auf, die sich besonders durch Industrie 4.0 und deren Automatisierungskonzepte bieten.
Alpbach. Fast schon traditionell konnte die Tiroler Landesrätin Frau Patrizia Zoller-Frischauf bei strahlendem Sonnenschein und sommerlichen Temperaturen ihre Gäste zum Technologie-Brunch willkommen heißen. Glänzen konnte sie auch mit wirtschaftlichen Erfolgsmeldungen, wie dem Tiroler Produktionszuwachs von 2,6 Prozent, trotz gleichzeitigem Minus der gesamtösterreichischen Wirtschaft. Eine Entwicklung, die nicht zuletzt den Tiroler Stärken beim Export von Mittel- und Hochtechnologie zu verdanken ist und die die Tiroler Landesregierung mit Partnern aus der privaten Industrie und der Wissenschaft weiter ausbauen möchte. Vor diesem Hintergrund wurde das STARTUP.TIROL gegründet, bei dem die öffentliche Hand zusammen mit privaten Investoren ihre Kompetenzen bündeln, um weiterhin eine hohe Anzahl an Start-ups in Tirol zu etablieren. Als Gründungsmitglieder dieser als Verein organisierten Initiative gelten die Standortagentur Tirol, die Werkstätte Wattens, I.E.C.T. Hermann Hauser und die Tyrolean Business Angel GmbH.
Fraunhofer Innovationszentrum unterstützt Tiroler Unternehmen
Weitere Impulse verspricht sich in diesem Zusammenhang die Tiroler Landesregierung von der Eröffnung des Fraunhofer Innovationszentrums »Digitale Transformation der Industrie« in Tirol in den Werkstätten Wattens. In diesem Zentrum werden Fraunhofer-Wissenschaftler gemeinsam mit Unternehmern und Forschungspartnern innovative und praxistaugliche Lösungen für eine erfolgreiche digitale Zukunft der Industrie entwickeln.
Pro und Cons neuer Wirtschaftstechnologien
In den Technologie-Panels am Nachmittag wurden von Wissenschaftlern und Wirtschaftsexperten Chancen aber auch Gefahren der neuen Automatisierungskonzepten wie „Industrie 4.0“ oder den „Internet of Things“ diskutiert. So entstehen nach Ansicht von Komplexitätsforscher und Professor am Institut für Wissenschaft komplexer Systeme Stefan Thurner mit global vernetzten Systemen riesige Netzwerk-Monster. Sie müssen verstanden werden, um sie kontrollieren zu können. „Dazu müssen Schnittstellen, das heißt Maschinen geschaffen werden, die sowohl riesige Netzwerke durchdringen, komplexe Zusammenhänge ‚verstehen‘ und für uns Menschen übersetzen können“, so Komplexitätsforscher Thurner. Ein erstes Beispiel einer solchen Schnittstelle ist für ihn die Suchmaschine „Google“, die allerdings für sich auch als „kleines Monster“ gesehen werden kann.
Riesenchance für Europa
Aufhorchen ließ auch Automatisierungstechniker Andreas Kugi vom Institut für Automatisierungs- und Regelungstechnik der Technischen Universität (TU) Wien, wenn er meint, dass neue Automatisierungskonzepte Produktionsprozesse aus Billiglohnländern wieder nach Europa zurückholen könnten. „Notwendig dafür sei eine hochflexible automatisierte, individualisierte Produktion“, so der Automatisierungstechniker. Nur wenn man verstehe, wie sich Wechsel- und Rückwirkungen auswirken, könne man Systeme auch gezielt kontrollieren und optimieren - "und das ist der Knackpunkt, insbesondere
wenn man produktindividualisiert die Flexibilität in den Anlagen erhöhen will". Seiner Meinung nach sind Produktionsanlagen in Europa zum großen Teil hochgradig automatisiert und das Produktdesign und die Automatisierung primär auf größere Stückzahlen ausgelegt. Eine individuelle und hochflexible automatisierte Produktionsfertigung sei da eine deutlich größere Herausforderung.
Hintergrund:
Das „Europäische Forum Alpbach“ findet alljährlich im Tiroler Bergdorf Alpbach statt und wurde 1945 unter der Bezeichnung „Internationale Hochschulwochen“ des Österreichischen Colleges gegründet. Internationale Referenten aus Wissenschaft, Wirtschaft und Politik kommen immer im August zusammen, um aktuelle Fragen der Zeit zu diskutieren und interdisziplinäre Lösungsansätze zu finden.
Das Europäische Forum Alpbach hat einen wesentlichen Beitrag zum geistigen Leben Nachkriegseuropas geleistet. Insbesondere die Vermittlung zwischen Wissenschaft und Praxis war ein von Anbeginn wichtiges Ziel. Mit dazu beigetragen haben so bekannte Persönlichkeiten, wie Theodor W. Adorno, Ralf Dahrendorf, Jacques Delors, Friedrich Dürrenmatt, Indira Gandhi, Helmut Kohl, Konrad Lorenz oder oder Yitzak Rabin.